kleine Anfrage

Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Der Nationalpark Hunsrück-Hochwald ist ein Erfolgsprojekt: Das ausgeklügelte Wegesystem, die einzigartigen „Hangbrücher“ und regionale Kooperationspartner kombiniert mit den geführten Rangertouren machen den Nationalpark zu einem touristischen Highlight in Rheinland-Pfalz. Auch die ökologische Entwicklung hin zu einem Wildnisgebiet schreitet voran und bietet zahlreichen gefährdeten Tier- und Pflanzenarten einen wertvollen Lebensraum.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

  1. Welche konkreten ökologischen Aufwertungsprojekte im Nationalpark wurden seit Juli 2020 umgesetzt?

    Antwort: Die Arbeiten im EU-LIFE-Projekt konnten „Hangmoore im Hochwald“ konnten größtenteils abgeschlossen werden. Hierbei standen Maßnahmen zum Verschluss von Gräben in der Fläche und entlang von Wegen, die Anlage von Furten und die Fortsetzung der wissenschaftlichen Untersuchungen im Vordergrund. Das Projekt endet mit Ablauf des Jahres 2021. Mittlerweile wurden an über 1700 Stellen Gräben verschlossen. Die begleitenden Untersuchungen zum Wasserhaushalt und -abfluss im Einzugsbereich der Projektflächen zeigen, dass die Maßnahmen greifen. Nach starken Niederschlägen sind die Abflussspitzen geringer und kommen später. Der Wasserrückhalt auf der Fläche als Grundlage für die künftige eigendynamische Entwicklung ist spürbar verbessert worden. Nach wie vor ist natürlich der Prozessschutz oberstes Ziel im Nationalpark, dennoch existieren in der Pflegezone Offenland-Bereiche, die ständig des menschlichen Eingriffs bedürfen, um die dort aus historischer Nutzung entstandenen Habitatstrukturen und die damit assoziierten Organismengruppen zu erhalten. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um Grünland der Rodungsinseln (Muhl, Börfink, Einschiederhof, Hujetssägemühle, Thraneneier, Neuhof). Um eine naturschutzfachliche Mahd zu gewährleisten, wurden mit sechs Landwirten (inkl. Landschaftspflegeverband Birkenfeld) und drei Pferdebesitzern der Region nationalparkkon- forme Verträge geschlossen.Des Weiteren wurden, ebenfalls außerhalb der 1a-Zone, an den Hütten Fledermauskästen angebracht und an zwei „Ruinen“ der Wassernutzung (alte Quellfassungen) bauliche Veränderungen im Hinblick auf Fledermaustauglichkeit in Angriff genommen. Bei der Frage nach ökologischen Aufwertungsprojekten darf nicht vergessen werden, dass das wichtigste und somit zentrale „Projekt“ das Nichteingreifen ist.

  2. Welche Entwicklungen wurden in der sogenannten Naturzone durch den Borkenkäfer, Windwürfe und Schneebrüche in Gang gesetzt?

    Antwort: In großen Bereichen der Naturzone hat sich in Fortsetzung der Jahre 2018, 2019 und 2020 auch in 2021 der Befall durch Fichtenborkenkäfer fortgesetzt. Hinzu kam Anfang des Jahres in Höhenlagen über 600 m eine in dieser Form in jüngerer Zeit nicht mehr dagewesene Schneelage. In Verbindung mit wechselndem Tauen und Wiederanfrieren wurden die Lasten so schwer, dass etliche Bäume gebrochen oder umgestürzt sind. Auch viele Wege waren unpassierbar. Infolgedessen war der Nationalpark über mehrere Wochen ein nahezu unberührtes Gebiet.
    Im Gegensatz zum Wirtschaftswald stellen diese naturdynamischen Prozesse in einem Nationalpark keine wirtschaftliche Notlage dar. Im Gegenteil: Da die Flächen nicht geräumt werden, sondern sich selbst überlassen bleiben, entwickeln sich vielfältigste Strukturen auf engstem Raum. Die Dynamik des Ansamens neuer Bäume und anderer Pflanzen, die Wechselwirkungen zwischen Wald und Wild, der hohe Anteil stehenden Biotopholzes und die hohe Zersetzungsrate auf dem Boden liegender Bäume lassen die Entwicklung eines deutlich anderen Waldes erwarten, als man es von zuvor geräumten und wiederaufgeforsteten Flächen kennt. Es wird erwartet, dass sich hierüber auch Lebensräume für seltene oder ausgestorben geglaubte Arten entwickeln. Im Nationalpark kann beobachtet werden, wie die Natur von sich aus Prozesse regelt und welche Resilienzen bestehen. Diese Entwicklung wird von einem intensiven wissenschaftlichen Monitoring begleitet, das auch Rückschlüsse und Hinweise auf Vorgehensweisen im Wirtschaftswald geben kann.
    Im Randbereich des Nationalparks in Nachbarschaft zu Fichtenflächen nachbarschaftlichen Waldbesitzes betreibt das National- parkamt hingegen aktives Borkenkäfermanagement und entnimmt in einer Tiefe zwischen 500 und 1 000 m befallene Bäume. Dies sichert den Grundsatz, dass vom Nationalpark keine wirtschaftlich schädigende Dynamik in das Umfeld greifen darf.

  3. Welche gefährdeten Tier- und Pflanzenarten können im Nationalpark gesichtet/gefunden werden?

    Antwort: Im Zuge der momentan noch laufenden Pilzkartierung (1 900 Datensätze, 400 Arten, bis jetzt) konnte z. B. neben anderen Raritäten, wie Entoloma caccabas (3), Vibrissea truncorum (3), der extrem seltene (R) Thanatephorus ochraceus nachgewiesen werden. Erhebungen vom 18. bis 21. September 2021 lieferten eine beeindruckende Vogelartenvielfalt:
    Schwarzstorch, Fischadler, Rotmilan, Mäusebussard, Wespenbussard, Sperber, Rohrweihe, Wanderfalke, Baumfalke, Turmfalke, Straßentaube, Hohltaube, Ringeltaube, Eichelhäher, Dohle, Rabenkrähe, Tannenmeise, Mehlschwalbe, Rauchschwalbe, Sing- drossel, Misteldrossel, Wacholderdrossel, Ringdrossel, Hausrotschwanz, Steinschmätzer, Heckenbraunelle, Wiesenpieper, Baumpieper, Bachstelze, Schafstelze, Buchfink, Kernbeißer, Erlenzeisig, Fichtenkreuzschnabel, Bluthänfling, Graureiher, Habicht, Waldkauz, Sperlingskauz, Grünspecht, Grauspecht, Schwarzspecht, Buntspecht, Elster, Kolkrabe, Kohlmeise, Blaumeise, Haubenmeise, Sumpfmeise, Weidenmeise, Zilpzalp, Mönchsgrasmücke, Kleiber, Star, Zaunkönig, Wasseramsel, Amsel, Rotkehlchen, Schwarzkehlchen, Haussperling, Dompfaff, Grünfink, Stieglitz.
    Eine Grunderhebung der Mollusken ist noch nicht abgeschlossen. Interessant ist der erste C1-Nachweis eines Wolfes (GW2104m) im Nationalparkgebiet, der aber nicht wieder in Erscheinung ge- treten ist. Sichtungen zweier Luchse sind noch nicht bestätigt. Die aufgeführten Organismen sind nur als exemplarisch für eine Vielfalt an untersuchten Tier- und Pflanzenarten anzusehen.

  4. Wie viele geführte Touren (aufgeschlüsselt nach Touren durch zertifizierte Nationalparkführer, Rangertouren und Touren für Menschen mit Behinderungen) konnten während der Pandemie durchgeführt werden, bzw. wie viele Menschen haben in diesem Zeitraum schätzungsweise an den Touren im Nationalpark teilgenommen?

    Antwort: Aufgrund von Corona war es schwierig, Rangertouren und Touren mit zertifizierten NationalparkführerInnen anzubieten. Seit Mai 2020 sind diese unter Standards, die mit dem Ordnungsamt abgestimmt wurden, wieder eingeschränkt möglich. So konnten von März 2020 bis August 2021 183 Rangertouren mit insgesamt 933 (davon 10 mit Behinderung) und 125 Erlebnistouren mit insgesamt 502 Teilnehmenden (davon niemand mit Behinderung durchgeführt werden. Außerdem fanden selbstständige Angebote der Nationalparkführerinnen mit insgesamt 623 Teilnehmenden (davon 2 mit Behinderung) statt.

  5. Wie konnte die Nationalpark-App dazu beitragen, auch zu Pandemie-Zeiten Informationen zum Nationalpark an Interessierte weiterzutragen?

    Antwort: Über die von 2018-2020 entwickelte App sind kontaktlose, digitale Touren immer verfügbar und bietet Umweltbildung für viele Zielgruppen. Vor allem für Menschen mit Beeinträchtigung ist die App eine tolle Möglichkeit, den Park zu erleben. Touren gibt es in Gebärdensprache, leichter Sprache und auf Englisch, jedoch sollen weitere Sprachen folgen. Schon nach einem halben Jahr wurden 10 000 Anwendungen nachgewiesen. Die Nationalpark-App hat sich in kürzester Zeit zu einem wesentlichen Instrument der Besucherlenkung, Information, Bildungsarbeit sowie der touristischen Inwertsetzung entwickelt. In den ersten Wochen rangierte die Nationalpark-App in den App-Stores immer unter den ersten 100 Reise-Apps, teilweise sogar unter den TOP 20.

  6. Welche Möglichkeiten zur Umweltbildung konnten darüber hinaus, z. B. von Schulklassen und Besuchergruppen, während der Pandemie in der Nationalparkregion genutzt werden?

    Antwort: Die Umweltbildungsangebote für Kitas und Schulen wurden im Schuljahr 2020/2021 pandemiebedingt nicht nachgefragt. Beginnend mit den Pfingstferien 2021 haben Landesforsten und das Nationalparkamt in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern wieder Veranstaltungen in den Ferien angeboten. Mit angepassten Hygienekonzepten können mittlerweile die Ausstellungen am Nationalpark-Tor Erbeskopf oder im WasserWissensWerk nahe der Steinbachtalsperre besucht werden. Auch werden vom Naturpark Saar-Hunsrück die Programme unter dem Motto „Tatort Natur – Junge Forscher unterwegs“ angeboten. In den Forstämtern der Nationalparkregion werden die waldpädagogischen Angebote unter dem Dach der „Rucksackschule“ durchgeführt. Der Nationalpark Hunsrück-Hochwald bietet wieder seine Programme „Im Kleinen das Besondere entdecken!“ für Schule und Kindergärten an.

  7. Welche Weiterentwicklungen (ökologisch und touristisch) sind in den kommenden Jahren im Nationalpark bzw. der Region geplant?

    Antwort: Die Naturzone soll bis 2045 mindestens einen Anteil von 75% erreichen, voraussichtlich jedoch deutlich früher, da sie schon bis Ende 2021 vermutlich bei 45% liegt. Außerdem sollen die Waldwege um ca. ein Drittel reduziert werden und die Wildruhezone im Gebietskern ausgedehnt werden. Zudem soll das Nationalpark-Tor Keltenpark in Otzenhausen neu gebaut werden. Aufgrund der Insolvenz der beauftragten Agentur für den Aufbau einer Außenausstellung am Nationalpark-Tor Erbsenkopf müssen die zeitlichen Ziele angepasst werden. Im Landkreis Birkenfeld soll ab 2022 eine neue Linienstruktur und 7-tägige getaktete Fahrplanangebote geben. Am 13. September wurde das Nationalparkamt für Kreativität (Kommunikation, Zusammenarbeit; Nationalpark-App) mit einem Destination-Award ausgezeichnet. Außerdem sorgt der Neubau des Nationalparkamtsgebäudes am Umweltcampus für eine bessere Verzahnung mit Region und Hochschule.

Zur Antwort der Landesregierung

gemeinsame Anfrage von

 Jutta Blatzheim-Roegler
 Fabian Ehmann